Der wirtschaftliche Schaden wird willentlich in Kauf genommen

aktualisiert, 15. Januar 2021 , Dr. Christine Leithäuser


Die Verwaltungsspitze und der Rat verstoßen gemeinsam gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und erzwingen ein unnötiges Bauvorhaben.


Offene Worte im GMW

Gestern beim Gebäudemanagement. Thomas Lehn, Produktmanager Schulen, und Dr. Martin Wehling, Funktionsbereichsleiter Energie und Umwelt, beantworten Fragen zum Projekt der ehemaligen Pädagogischen Akademie. Nicht nur zur baulichen Situation sondern auch zur politischen Entscheidungsfindung. Sie sind zuvorkommend und auch glaubwürdig. Aber letztlich höre ich eine Geschichte über Geldverschwendung und politischen Starrsinn.

Laut Schulentwicklungsplan sollen ab 2021 das Ganztagsgymnasium Johannes Rau und die Gesamtschule Else Lasker-Schüler saniert werden. Das Gebäudemanagement wollte ursprünglich als Ausweichquartier die ehemalige Pädagogische Akademie auf der Hardt anmieten, wie schon früher geschehen. Der damalige Eigner, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, wollte aber nicht mehr in das Gebäude investieren. Gleichzeitig hatte die Aufsichtsbehörde, die Bezirksregierung Düsseldorf, entschieden, dass die bestehende Elektroverkabelung ohne FI-Standard nicht mehr genehmigungsfähig sei und damit die Nutzung des Gebäudes faktisch untersagt.

Herr Lehn suchte deshalb nach einem Standort, auf dem für vier bis sechs Jahre Klassencontainer aufgestellt werden könnten. Die Eignung des Carnaper Platzes war offenkundig: eine befestigte, ausreichend große und ebene Fläche mit allen Versorgungsleitungen und sehr gutem ÖPNV-Anschluss, zudem im Besitz der Stadt. Die Fläche wird aktuell als Parkplatz und Veranstaltungsfläche genutzt. Der Flächennutzungsplan weist den Carnaper Platz als gewerbliche Baufläche aus.


Politische Vorgaben

Allein, es darf nicht sein, was baulich optimal ist. Aus der Verwaltungsspitze und vom Stadtdirektor Dr. Slawig wurde dem GMW „sehr frühzeitig“ mündlich mitgeteilt, dass der Platz nicht zur Verfügung stehe. Andere Standorte konnten trotz intensiver Suche nicht gefunden werden. Daraufhin formulierte das GMW die bekannte Beschlussvorlage für den Rat der Stadt, die empfahl, das Gebäude der ehemaligen Pädagogischen Akademie zu kaufen, abzureißen und dann die Fläche als Aufstellort für die Schulcontainer zu nutzen, was im Juni 2020 im Rat beschlossen wurde. Während des Kommunalwahlkampfes wurde dieser Beschluss zunehmend kritisiert. Das Gebäude kann durchaus saniert werden. Wäre es abrissreif, müsste es mit einem negativen Wert „verkauft“ werden. Der politische Entschluss ist aber, 500 000 Euro für das ehemalige Schulgebäude zu zahlen und es dann abzureißen.

Auf Betreiben der Fraktionen der LINKEN und der WFW und mit Unterstützung der Wuppertal Bewegung wurde das Thema in der Ratssitzung am 2. November 2020 erneut diskutiert. Insbesondere der GRÜNEN-Politiker Marc Schulz wandte sich vehement gegen das seiner Ansicht nach unmögliche Ansinnen, den Carnaper Platz auch nur temporär für Schulcontainer zu nutzen. Die Bürgervereine wären gegen eine Bebauung des Platzes, der für die einmalige jährliche Kirmes und für einzelne Zirkusvorstellungen frei bleiben müsse. Herr Schulz hat schon im Jahr 2015 zusammen mit dem Rotter Bürgerverein verhindert, dass die WSW das Grundstück ankaufen, um dort ihre neue Unternehmenszentrale zu bauen. Die WSW Mitarbeiter müssen heute noch in schadstoffbelasteten Büros ausharren, da es keinen anderen geeigneten Ort für den Neubau gibt. Nun also die Wiederholung des Unsinnigen: Die anderen Fraktionen stimmen gegen die Vorlage der LINKEN und der WFW, auf dem Carnaper Platz Schulcontainer für drei Jahre aufzustellen und die tatsächliche Belastung des Schulgebäudes auf der Hardt zu untersuchen. Der Platz bleibt ganzjährig reserviert für Kirmes, Zirkus und Autos. Davon profitieren wohl am meisten die Rotter.


Erschwerte Umstände

Das GMW muss allein aufgrund der politischen Vorgaben den Bestandsbau auf der Hardt abreißen. Es entsteht ein Vermögensschaden in Höhe des Einkaufspreises und der Abrisskosten. Etwa 5 Mio Euro. Dass zuerst auf den Rohbau zurückgebaut wird, um möglicherweise asbesthaltige Bauteile getrennt entsorgen zu können, geht auf eine Vorgabe der Bezirksregierung Düsseldorf zurück. Es ist nicht so, dass alle Putzflächen asbesthaltig wären. Die erforderliche Anzahl der Proben durchzuführen, wäre aber kostspieliger als der Rückbau. Hätte das GMW drei Jahre länger Zeit, könnten sie das Gebäude nach der Schadstoffbeseitigung sanieren. Danach hätte die Stadt Wuppertal eine moderne Bildungsstätte inmitten eines wunderschönen Parks zur Verfügung. Allein, diese Zeit wird ihnen nicht gegeben. Die Sanierung des Gymnasiums und der Gesamtschule, so fordert der Schulausschuss, müssen sofort beginnen. Und angeblich habe man keine Verwendung für das Gebäude, da die siebte Gesamtschule im Wuppertaler Osten gebaut werden soll. Aber dort gibt es kein geeignetes Grundstück. Der Schulausschuss und der Rat verweigern auch bei diesem Beschluss die Anerkennung von simplen Tatsachen.

Der Abriss des Gebäudes und das Vorbereiten der Aufstellfläche sind übrigens nicht einfach. Um das Schulgrundstück und unter der Zufahrt befindet sich ein Teil der Hardt-Höhlen. Dazu kommt ein starkes Gefälle hinter dem Seminargebäude nach Norden. Als Stellfläche für die Container darf nur die Grundfläche des Bestandsbaus genutzt werden, da man die umliegenden Gärten erhalten will. Das GMW muss daher die Ziegel und den Beton aus dem Abriss vor Ort brechen um damit den Höhensprung im Gelände aufzufüllen, der wiederum mit einer Stützmauer gesichert werden muss. Auf diesem Untergrund werden die 380 Container mehrstöckig aufgetürmt. Noch gibt es keine Statik dafür. Dieses Vorgehen ist langsamer und teurer als das Aufstellen der Container auf einem bereits vorbereiteten Platz.


Der Schaden

Dr. Slawig, die Verwaltungsspitze und die Mehrheit des Rates wollen die ehemalige Pädagogische Akademie abreißen. Sie müssen es nicht. Der Abriss ist allein der Starrsinnigkeit geschuldet, den Carnaper Platz nicht zu nutzen, bzw. das Bestandsgebäude nicht zu sanieren. So werden Vermögenswerte vorsätzlich vernichtet: 500 000 Euro für den Ankauf des Gebäudes auf der Hardt und 4,6 Mio Euro für dessen anschließenden Abriss. Zuzüglich der Arbeiten für die Einebnung des Geländes und für die Anmietung der Klassencontainer für sechs Jahre. Zusammen etwa die Hälfte dessen, was eine Komplettsanierung der Schule auf der Hardt kosten würde. So aber wird das Geld verloren sein. Die finanzielle Situation der Stadt wird danach weitere Kreditaufnahmen erfordern. In der Beschlussvorlage VO/0474/20 heißt es: „Allerdings muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass sich […] der bisher nicht gedeckte Finanzierungsbedarf ab dem Jahr 2025 auf rund 47,7 Mio. € erhöhen wird.“

Fiebig und Junker schreiben in ihrem Handbuch „Korruption und Untreue im öffentlichen Dienst“ (2. Auflage, 2004) zum Tatbestand der Untreue: „Voraussetzung ist zwangsläufig, dass durch die Verausgabung öffentlicher Mittel ein Vermögensschaden für den Haushaltsträger entsteht .[…] Dies muss grundsätzlich durch einen Vergleich des gesamten Vermögens des Geschädigten vor und nach der beanstandeten Verfügung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft werden. […] Einfacher ausgedrückt, es wird festgestellt, ob die Gegenleistung ihren Preis wert ist. […] Subjektiv ist der Nachweis des Vorsatzes erforderlich.“ (S.82)

Der Vermögensschaden, der im Haushalt der Stadt Wuppertal aufgrund der Beschlüsse zum Erwerb und Abriss der Schule auf der Hardt entsteht, wird nicht aufgewogen durch Kirmes- und Zirkus-Veranstaltungen. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit wird mit diesem Handeln der kommunalen Amtsträger verletzt. Subjektiv vorsätzlich ist das Handeln der Amtsträger auch. So etwas nennt man Haushaltsuntreue. Das ist jetzt ein Fall für die Staatsanwaltschaft.

Neue Entwicklung in letzter Minute?

Am 11. Januar meldet die WZ, dass der Zeitplan und der Kostenrahmen für den Abriss und das Aufstellen der Container nicht eingehalten werden können. Die Stadt bestätigt in einer Pressemeldung vom 12. Januar, dass das gesamte Vorhaben zunächst ausgesetzt ist und im Mai neue Beschlussvorlagen für den Rat bereit sein sollen. Das wirkt nun wie eine Notbremsung in letzter Minute. Es wird genau zu beobachten sein, wie die "neuen Lösungen" aussehen. Bislang hat der Rat jedenfalls ein Gebäude gekauft und "schadstoffsanieren" lassen, für das er gegenwärtig keine Verwendung hat. Die Kommentare der Fraktionen zum Baustopp lassen übrigens jede Selbstdisziplin vermissen. Schließlich haben gerade CDU, GRÜNE, SPD und FDP dieses Vorhaben um jeden Preis noch am 2. November im Rat verteidigt. Vielleicht ist ihnen entgangen, dass ihre Worte von damals im "Rats-TV" anzusehen sind. So kann sich jeder Bürger ein unabhängiges Urteil über die Verstrickung der Fraktionen in das Vorhaben bilden. Wie schön, dass es auch im Lockdown noch offene Daten gibt.