Dr. Hartmut Beucker - Mitglied des Landtages NRW und OB-Kandidat für Wuppertal
06. September 2025 , Dr. Christine Leithäuser
Hartmut Beucker ist Jurist und seit dem Jahr 2020 Mitglied des Stadtrates in Wuppertal. Zudem ist er seit 2022 Landtagsabgeordneter. Er tritt bei den diesjährigen Kommunalwahlen für die AfD als Oberbürgermeister-Kandidat an. Dass seine Partei sich überhaupt zur Wahl stellt, wird mindestens kontrovers diskutiert, einige gesellschaftliche Gruppen sprechen der AfD generell ab, eine demokratische Partei zu sein und halten damit auch jeden ihrer Vertreter für prinzipiell unwählbar. Wenn die AfD einen Wahlstand in der Innenstadt aufbaut, ist immer auch Polizei zugegen. Vorsorglich, wie es heißt. Wer muss hier vor wem geschützt werden?
Der Ansatz, den Diskurs mit der AfD zu verweigern, sie "tot zu schweigen", ist längst gescheitert. Die Zustimmung der Wähler wächst, bundesweit liegt die AfD derzeit gleichauf mit der CDU. Auch für NRW wird ein deutlicher Zuwachs im Vergleich zur letzten Kommunalwahl prognostiziert.
Demokratie funktioniert nicht mit Redeverboten, sondern durch Transparenz und eine sachorientierte Auseinandersetzung. Wahlkampf ist idealerweise der Wettstreit von Ideen, Kandidaten überzeugen durch Haltung und Authentizität.
Hartmut Beuckers Antworten auf die - für alle Kandidaten identischen - Fragen sind nüchtern und taugen gar nicht dazu, ihn zu dämonisieren. Die Haushaltssituation der Stadt bietet seiner Ansicht nach wenig politischen Gestaltungsspielraum für die kommende Legislaturperiode. Die großen Projekte BuGa und Pina-Bausch-Zentrum befürwortet er dennoch.
Das gesamte Interview hier im Wortlaut:
Zunächst werden wir unfreiwillig einsparen. An die Hälfte der Stadtmitarbeiter wird in den nächsten Jahren in Rente gehen. Es wird sehr schwer werden, diese Stellen neu zu besetzen. Solange sie frei bleiben, muss die Stadt natürlich kein Gehalt zahlen. Für die Erledigung der Verwaltungsaufgaben ist so etwas allerdings verheerend.
Es wird aber nicht ausreichen, das strukturelle Defizit auszugleichen. Die Kommunen insgesamt müssen ein Viertel der gesamtstaatlichen Verwaltungsaufgaben mit einem Siebtel der gesamtstaatlichen Einnahmen bewältigen – ohne grundsätzliche Reform der Verwaltungsfinanzierung bleibt das Defizit. Das beweist auch ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Wir kommen ja sozusagen frisch aus einem Haushaltssicherungskonzept. Da hat die Stadt sehr gespart, aber ohne die Zahlungen vor allem aus dem Bundeshaushalt hätte sie es nicht geschafft.
Die Verwaltung ist natürlich auf die politischen Ziele des letzten OB ausgerichtet. Es ist gut möglich, dass eine Neubewertung Einsparmöglichkeiten bietet. So bin ich der Auffassung, dass die Demokratie auch ohne Förderung blüht und gedeiht. Exzessive Diversity-Förderungen hat die Stadtverwaltung ebenfalls nicht nötig.
Immerhin ist die Stadt in der Lage, einen Haushalt für jährlich ca. 900 Millionen Euro aufzustellen. Das gibt völlig ausreichenden Spielraum, um BuGA und Pina-Bausch-Zentrum zu finanzieren. Dafür mobilisiert die Stadt große Summen an Zuschüssen, und die Ausgaben laufen ja über mehrere Jahre.
Der Nutzen dieser Projekte ist zudem enorm. Die Attraktivität der Stadt wird dauerhaft gesteigert, und das zieht nicht nur Besucher an. Warum sollen wir es für uns selbst in unserer eigenen Stadt nicht angenehm und lebenswert machen? – Das gilt grundsätzlich. Natürlich muss aber im Einzelnen darauf gesehen werden, dass die Kostenprognosen eingehalten werden. Anzumerken ist, dass wir an der BuGA auch festhalten, weil es die Entscheidung der Bürger ist.
Stichwort: „Schrottgrundstücke“. Jedes Grundstück, das einen verwahrlosten Eindruck macht, muss Gegenstand städtischer Planung sein. Das geht nicht alles auf einmal, da muss man sehen, was schnell geht und damit beginnen. Natürlich in Abstimmung mit den Eigentümern. Idealerweise schaffen wir so auch neuen Wohnraum. Zudem wird seit Jahren davon gesprochen, Gebäude aufzustocken und so schonend Wohnungen zu schaffen. Da passiert nichts. Hier werde ich Planung und Umsetzung anstoßen.
Ansonsten ziele ich auf die wirtschaftliche Wieder-Nutzung von Grundstücken, wie beim Prym-Gebäude in Barmen. Dort schlummert auch die Concordia in 1A-Lage einen unberechtigten Dornröschenschlaf.
Das Concordia-Gebäude am Rathausplatz in Barmen
In Elberfeld wäre an die Nutzung des Kaufhofs durch die Stadtbibliothek zu denken, das wird schon vorbereitet, wie der Umzug des Stadtarchivs auch. Wir brauchen auch die bereits angedachte Mehrzweckhalle z.B. für Bundesliga-Handball.
Etliche Schulen müssen saniert werden, das klappt seit über 5 Jahren nicht. Das hat für mich Vorrang vor dem Neubau. So ein Neubau, z.B. einer Gesamtschule in Heckinghausen, kostet mindestens 130 Millionen Euro. In Zeiten knapper Kassen muss das Geld für die Gebäude möglichst effizient eingesetzt werden.
Ich werde auch Planungen fördern zur (wenigstens teilweisen) Überdachung der Stadiontribünen. Ähnlich wie beim Bau der beiden neuen Stehtribünen in den Jahren 2005 - 2008 könnte man eine einfache Überdachung mit Arbeitskräften des dritten Arbeitsmarktes durchführen.
Zu denken ist auch an das Straßenverkehrs-Zulassungsamt. Da tut sich seit einem Jahr nichts. Ein erster Schritt wäre, frei werdende Termine nicht zu nachtschlafener Zeit, sondern jeden Abend zu festen Zeiten in der Terminbuchung ersichtlich zu machen.
Beim Einwohnermeldeamt hat sich die Situation entspannt, wie ich selbst zu mehreren Malen im letzten Jahr feststellen konnte – und die Mitarbeiter waren zudem sehr hilfsbereit.
Die Ausländerbehörde ist ein Spezialfall. Ein Beispiel dafür, was wir alles nicht geschafft haben seit 2015. Da wurde die Bevölkerung eingelullt. Zudem ist die Materie kompliziert. Die einfachste Hilfe für das Ausländeramt ist, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren – Wuppertal hat 30 Prozent mehr von diesen aufgenommen als gesetzlich vorgeschrieben. Die Zeche dafür zahlen auch die Mitarbeiter im Ausländeramt. Mehr Mitarbeiter wird es kaum geben – daher muss die Arbeit noch stärker strukturiert und auch digitalisiert werden.
Zunächst einmal an der Wurzel – einfach nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen als gesetzlich vorgegeben, und wenn viele andere Kommunen auch darunter bleiben, warum nicht Wuppertal auch?
Außerdem halte ich die Prognosen nicht für belastbar. Falls die Politik der CDU/SPD - Bundesregierung zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen erfolgreich ist, hat sich das Problem sowieso erledigt.
Wenn nicht (wovon ich ausgehe): Es ist Wohnraum zu schaffen, das Deutschlernen zu organisieren, es müssen Kindergarten- und Schulplätze da sein. Ob das in den angesprochenen fünf Jahren selbst beim besten Willen machbar ist, bezweifle ich. Zur Not muss improvisiert werden, aber das tut die Stadt in dieser Hinsicht ja sowieso schon. „Wir schaffen das“ lässt grüßen.
Entscheidend ist nicht der Landesdurchschnitt. Entscheidend ist, dass schon die Situation in den Nachbarstädten Solingen und Remscheid deutlich besser aussieht. Dort ist die Wirtschaft mehr industriell geprägt, der stärkere Dienstleistungssektor in Wuppertal kann die Menschen nicht so gut in Lohn und Brot bringen. Zugespitzt: Wenn wir uns gegenseitig die Haare schneiden, ist damit kein Staat zu machen.
Eher enttäuschend ist das Resultat der Arbeit im Jobcenter. Jedem der 831 Mitarbeiter gelang es 2024 statistisch, keine acht Menschen in Arbeit zu vermitteln. Und da sind Lehrstellen mit dabei. Es wäre hinzuschauen, ob es nicht effektiver geht.
In einem Stadtratsausschuss waren im Frühjahr zwei Geschäftsführer, die neben anderem auch von ihren im Ausland angeworbenen Mitarbeitern berichteten. Auf meine Nachfrage kam die Antwort, man habe sich auch bemüht, Arbeitslose anzustellen. Erfolg habe sich aber nicht eingestellt, obwohl die Arbeit keine allzu großen Vorkenntnisse benötigte. Hier wäre ein Knackpunkt. Mit Zwang ist allerdings niemandem geholfen. Eher ist die Einstellung zu vermitteln, dass Arbeit die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes, freies Leben ist. Ich weiß allerdings, dass dies ein idealistischer Ansatz ist.
Ein weiterer besteht eben in der Wirtschaftsförderung. Mehr Unternehmen, mehr Erfolg der Unternehmen bedeutet mehr Arbeitsplätze. Die Stadtverwaltung muss unternehmerfreundlich handeln, für jedes Anliegen von Unternehmern feste Ansprechpartner bestimmen. Dann gilt es Bürokratie abzubauen, Genehmigungen zu beschleunigen und insgesamt mit der Verwaltung wirtschaftliches Handeln zu ermöglichen, nicht zu behindern. Damit schließe ich mich vollumfänglich den Forderungen des Präsidenten der Bergischen IHK, Herrn Henner Pasch an, der zu Recht sagt, dass das Bergische Städtedreieck auch auf kommunaler Ebene für ein wirtschaftsfreundliches Klima zu sorgen hat.
Für so groß halte ich den Stau nicht, und ich bin täglich zu unterschiedlichen Zeiten in der Stadt unterwegs. Es gibt eben zu gewissen Zeiten besonders viel Verkehr, auch im Bus, in der Eisenbahn oder der Schwebebahn.
Ebenso ist das illegale Gehwegparken eher ein punktuelles Problem, etwa in der Elberfelder Nordstadt. Grund dafür ist allerdings fehlender Parkraum. Teils ist daran einfach die Enge in der Stadt schuld (Nordstadt). Der Weg zur Lösung führt hier über Quartiersgaragen. Teils ist daran künstliche Verknappung aus ideologischen Gründen schuld, z.B. durch unnötige Verlängerung von Bushaltestellen und Verbotszonen an Straßenabbiegungen. Das Autofahren soll den Menschen verleidet werden. Das wird es mit mir nicht geben.
Die ebenfalls teils aus ideologischen Gründen eingeführten, willkürlichen 30er-Lärmschutz-Tempolimits werde ich abschaffen. Ich werde genau prüfen lassen, ob das auch für die Tempo-40-Gängelung entlang der Nord-Süd-Achsen in Autobahnnähe möglich ist. Die Regelung seit den 1980er Jahren, Nebenstraßen in geschlossenen Ortschaften als Tempo-30-Zonen auszuweisen, während auf Hauptverkehrsadern fast überall Tempo 50 gilt, war weithin akzeptiert und bedarf keiner Änderung.
Der Ausbau des Radwegenetzes geht deswegen schleppend voran, weil Wuppertal von der Lage her denkbar ungeeignet für den Radverkehr ist. Zwischen Landgericht und Alter Markt z.B. gibt es genau drei Straßen in Ost-West-Richtung, zwei davon eng und eine ist eine Bundesstraße. Die Straßen, die nach Nord und Süd auf die Höhen führen, bieten ebenfalls wenig Platz. Hier liegt für mich keine Priorität.
Verkehrsknotenpunkt Hauptbahnhof
Der ÖPNV ist durch die Stadtlage ebenfalls beeinträchtigt. Die Kosten sind hoch (2024 über 190 Millionen Euro führen zu einem Defizit der Stadtwerke mobil von 74 Millionen Euro), auch weil z.B. Elektrobusse den Steigungen nicht gewachsen sind. Die derzeitige Strategie, Wasserstoffbusse zu verwenden, ist aber richtig.
Die Verwendung von Elektro-PKW wird problematisch (abgesehen vom hohen Preis für die Verbraucher), weil die Lade-Infrastruktur nicht gegeben ist und etwa für Ladestationen am Straßenrand aufwendig Leitungen (Starkstrom?) neu verlegt werden müßten. Auch hier werde ich nicht zuerst anpacken.
Die Sicherheit im Katastrophenfall ist ausreichend. Auch in puncto Sauberkeit gibt es wenig zu verbessern, vielleicht noch an den Altkleider-Containern.
Hinsichtlich der Kriminalität ist die Polizei vorrangig zuständig. Es muss hier aber eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst geben, z.B. mehr gemeinsame Streifen. Der Kommunale Ordnungsdienst muss zudem um etwa 50 Personen aufgestockt werden.
Ein Problem sehe ich am Wupperpark Ost / Döppersberg. Keine Frage, die Stadt muss Drogenabhängige unterstützen. Die Passanten sind aber durch die Zustände am Döppersberg zu Ko-Abhängigen geworden. Das muss ein Ende haben und das Cafe Cosa muss verlegt werden. Die Hilfen für Drogenabhängige wird es weiter geben, nur woanders.
Wuppertal ist meine Heimat, meinen Mitbürgern fühle ich mich verpflichtet. Damit die Stadt lebenswert für uns alle wird, kandidiere ich.