Henrik Dahlmann - OB-Kandidat für Wuppertal

„Ich würde das machen wie Boris Palmer!“

20. Juli 2025 , Dr. Christine Leithäuser


Wir treffen uns am Berliner Platz, es ist früher Nachmittag. Sommerferien. Die Stadt ist ruhig, viel Platz im Eiscafé. Vom Wahlkampf merkt man noch nicht viel in Wuppertal, selbst während der Corona-Beschränkungen vor fünf Jahren gab es mehr Wahlstände, Veranstaltungen und auch Kontroversen. Auch daher ist es das Ziel dieses Interviews, einen der inzwischen neun OB-Kandidaten vorzustellen. Wer ist Henrik Dahlmann, der für die Wählergemeinschaft für Wuppertal / Freien Wähler antritt und was möchte er anders machen als seine Vorgänger, wenn er gewählt würde?

Und dann fällt dieser Satz: "Ich würde das machen wie Boris Palmer! Er hat es geschafft - als Bürgermeister einer eher kleinen Stadt - viel Aufmerksamkeit in Deutschland für seine Politik zu erhalten. Und wodurch? Er spricht die Dinge offen aus. Er löst Probleme. Er setzt sich für die Bürger seiner Stadt ein. Er versteckt sich nicht. So geht etwas."

Probleme hat Wuppertal tatsächlich, die zu lösen wären.


Im Februar 2025 wurde im Rat der Stadt der Nachtragshaushalt gegen die Stimmen der Freien Wähler verabschiedet. Warum waren Sie dagegen?

Was uns da als Dokument von Kämmerer und OB vorgelegt wurde, war eine echte Unverschämtheit. Der Nachtragshaushalt beinhaltet die Verpflichtung, einen Betrag von über 30 Millionen Euro im Jahr einzusparen. Dieser Konsolidierungsbetrag war eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Bezirksregierung den Nachtragshaushalt überhaupt genehmigen konnte. Es fehlen in dem Text die konkreten Maßnahmen und Zahlen, wo überhaupt gespart werden kann und wieviel. Es blieb auch völlig unberücksichtigt, dass Pflichtaufgaben natürlich nicht eingespart werden können. Am Ende wird es die sogenannten „freiwilligen Leistungen“ treffen, also bspw. Sport und Kultur.

Die Freien Wähler haben bereits seit Jahren darauf hingewiesen, dass ohne Haushaltsdisziplin die nächste Haushaltssicherung schon vor der Türe steht. Um nicht schon dieses Jahr in die Haushaltssicherung zu rutschen – sehr unpopulär in einem Wahljahr – hat man durch den Nachtragshaushalt das Problem auf die nächste Ratsperiode vertagt. Bis dahin ist die Verantwortung auf die einzelnen Dezernate und Abteilungen abgeschoben worden.


Welche Einsparungsmöglichkeiten sehen die Freien Wähler für die kommenden Haushaltsjahre, um das strukturelle Defizit in den Griff zu bekommen?

Der neue Oberbürgermeister wird bei Bund und Land die Einhaltung des Konnexitätsprinzips einfordern müssen. Das heißt, dass die Stadt die finanziellen Mittel bekommen muss, um die übertragenen Aufgaben erfüllen zu können. Und, dass diese zusätzlichen Aufgaben auch gerecht unter den Kommunen verteilt werden müssen. Die Aufnahme von Flüchtlingen bindet z.B. für zusätzliche KITA- und Schulplätze erhebliche Eigenmittel der Stadt. Wuppertal erfüllt seine Verpflichtung aktuell zu 143 Prozent.

Als OB muss man also - durchaus auch lautstark - einfordern, dass Wuppertal keine neuen Flüchtlinge zugewiesen werden, bis die Quote wieder bei 100% liegt. Denn Wuppertal scheitert gerade mit Ansage bei der Integration von Geflüchteten. Die Menschen bekommen keine Termine in der Ausländerbehörde, es fehlen Sprachkurse und Tausende KiTa-Plätze. So wird man den Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, nicht gerecht.

Allerdings kann man nicht nur fordern, sondern muss auch etwas bieten. Dazu gehört, die Großprojekte BuGa und Pina-Bausch-Zentrum zur Disposition zu stellen. Ich wäre dafür, die Bundesgartenschau abzusagen und das Pina-Bausch-Zentrum höchstens als erheblich abgespeckte Version zu realisieren, wobei die Rechte an den Choreographien an die Stadt übertragen werden müssten. Das Tanztheater wird jedes Jahr bezuschusst. Die zusätzlichen Projekte „Foundation“ und „Wupperbogen“ werden aber einfach zu viel. Wir sollten auf jeden Fall das erhalten, was jeder sehen und erleben kann, was jeder mit Wuppertal verbindet: den Tanz auf der Bühne!

Ich würde auch Projekte wie Utopiastadt nicht weiter fördern. Da ist viel Geld geflossen mit sehr zweifelhaftem Ergebnis. Die Fläche um die ehemaligen Bahngleise sieht derzeit aus wie eine Müllhalde. Damit ließe sich mehr anfangen.


Blick auf das Gelände des ehemaligen Mirker Bahnhofs mit der Utopiastadt, einem öffentlich geförderten Stadtentwicklungsprojekt in der Nordstadt.


Und ganz sicher würde ich der DITIB keine Grundstücke für ihr Moscheeprojekt an der Gathe überlassen. Auch diese Fläche sollte für die Mehrheit der Anlieger entwickelt und genutzt werden, nicht für eine kleine Interessensgemeinschaft. Tatsächlich halte ich ein Quartiersparkhaus dort für eine interessante Idee.

Dann muss man zügig überprüfen, welche städtischen Immobilien verkauft werden könnten. Demnächst gibt es den endgültigen Umzug in die ehemalige Bundesbahndirektion. Was mit den dann leergezogenen Immobilien passieren soll - dazu gibt es noch nicht einmal einen Plan. Das Schauspielhaus z.B. kostet uns jährlich in geschlossenem Zustand fast so viel wie zu der Zeit, als es noch bespielt wurde. Soll das mit dem jetzigen Einwohnermeldeamt auch so laufen? Ich meine, nein!


Welche konkreten städtischen Entwicklungsvorhaben würden Sie in den kommenden Jahren gerne umsetzen?

Neben der Priorisierung der dringend nötigen Schulbauprojekte – die Sanierung der Else-Lasker-Schüler-Gesamtschule war schon im letzten OB-Wahlkampf Thema – möchte ich weg von Prestigeprojekten und hin zum Alltäglichen. Der Sanierungsstau in der städtischen Infrastruktur muss endlich angepackt werden. Brücken, Straßen, und besonders das Stiefkind der Wuppertaler Verkehrsplanung, der Bürgersteig. Es wird viel von Teilhabe und Inklusion gesprochen. Wie ernst das gemeint ist, sieht man am Zustand der Infrastruktur für Fußgänger.

Schrottimmobilien beseitigen, eine lebenswerte Innenstadt mit Aufenthaltsqualität schaffen, Brachflächen für Unternehmensansiedlungen entwickeln. Nicht ein Großprojekt, sondern hunderte kleine Verbesserungen. Stadtentwicklung schafft die Grundlage dafür, dass Menschen ihr Leben hier verbringen können. Wer denkt, dass nur immer neue Attraktionen gebraucht werden, verwechselt Wuppertal mit dem Phantasialand.


Wie kann man Ihrer Ansicht nach die Verwaltungsabläufe in Wuppertal verbessern, zum Beispiel bei der Ausländerbehörde?

Alle persönlichen Anlaufstellen müssen so organisiert sein, dass die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zügig bearbeitet werden. Dazu braucht es in unserer Ausländerbehörde erstens mehr Personal. Jeder Mitarbeiter in Wuppertal betreut doppelt so viele Fälle wie ein Sachbearbeiter in Köln. Dann müssen zweitens Managementmethoden etabliert werden. Bisher erhalten wir von der Ressortleitung nur sehr rudimentäre Berichte über die geleistete Arbeit. Wieviele Fälle betreut ein Mitarbeiter pro Tag? Wie lange dauert es vom Erstantrag bis zur Erledigung? Wie viele Einbürgerungsanträge, wie viele Visanträge gibt es - alle diese Daten bekommen wir nicht, sie werden auch nicht systematisch erhoben. Wenn man eine Arbeit verbessern will, Ziele erreichen will, braucht man zunächst Informationen über die Menge und Art der Arbeit. Ich denke auch, dass die Leitungsstelle neu besetzt werden sollte. Drittens müssen die Prozesse verbindlich definiert und digitalisiert werden, damit sie schneller erledigt werden können und transparent sind. Andere Länder haben vorgemacht, wie es geht. Auf dem Papier ist Wuppertal digitale Modellkommune, aber in der Realität sind wir noch überwiegend analog.

Insgesamt muss das vorhandene Personal in der Verwaltung zielgerichtet da eingesetzt werden, wo es gebraucht wird. Müssen wirklich mehr als 15 Personen im Bereich Gleichstellung unterwegs sein? Statt personeller Luxusausstattung in Einzelbereichen werde ich den Fokus auf die Wahrnehmung der Kernaufgaben legen. Ich möchte ausdrücklich betonen, wir haben kein Problem auf der Ebene der Sachbearbeiter. Diese Leute machen jeden Tag ihre Arbeit und halten die Stadt am Laufen. Wir haben aber ein Organisationsproblem. Und das zu lösen, ist nun wirklich Chefsache, zusammen mit den Dezernenten und Abteilungsleitern.

Zur Veranschaulichung ein Beispiel aus dem Bereich Wirtschaftsförderung: Mit einem One-Stop-Shop System für Unternehmen wie in den Niederlanden, einer einzigen Anlaufstelle für alle nötigen Behördengänge, kann man die Verwaltungsprozesse deutlich beschleunigen.


Wie möchten Sie Sicherheit und Ordnung in der Stadt verbessern?

Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit sind direkte Einflussfaktoren, wenn es um Zufriedenheit und Lebensqualität geht. Leider muss man feststellen, dass in den letzten Jahren wenig unternommen wurde, um auf die steigenden Zahlen bei Kriminalität, Gewalt und Ordnungswidrigkeiten zu reagieren. Stattdessen wird und wurde das Problem verniedlicht, von „gefühlter Unsicherheit“ gesprochen oder davon, dass die Art des Zusammenlebens jeden Tag neu ausgehandelt werden müsse.

Mehr Personal für das Ordnungsamt und mehr Polizeipräsenz sind das eine, aber nötig ist auch ein anderer Umgang mit Problemklientel und sogenannten Angsträumen. Es darf z.B. nicht sechs Monate dauern, bis das Ordnungsamt Verdachtsfällen auf Meldebetrug nachgeht. Oder dubiose Fortbildungsstätten im Stadtgebiet überprüft werden, die als NRW-weiter Anlaufpunkt für Sympathisanten der Muslimbrüderschaft dienen.

Kurz gesagt: Eine Polizeiwache am Hauptbahnhof und am Berliner Platz? Ja! Ein Café Cosa am Wupperpark Ost, am Eingangstor der Innenstadt Elberfeld? Nein, da dort mittlerweile eine Anlaufstelle für die überregionale Drogenszene entstanden ist!

Es ist bezeichnend, dass aktuell nicht einmal die Probleme mit den Leih-E-Scootern angegangen werden. Ich war kürzlich in Lyon, dort gibt es Abstellzonen, die mit einer elektronischen Blockade der Scooter kombiniert werden. Falsch parken geht da nicht mehr. Das ist nur ein kleines Beispiel. Insgesamt braucht es in Wuppertal bei der Sicherheits- und Ordnungspolitik einen kompletten Neustart.


Welche Motivation haben Sie persönlich, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren?

Ich bin schon seit meiner Jugend ein politisch interessierter Mensch und habe irgendwann den Schritt gemacht, mich aktiv einzubringen. Wenn man erst einmal merkt, was man mit Zuhören, Ansprechbarkeit und Engagement  bewegen kann, dann kommt die Motivation von alleine. Seitdem ist meine Leidenschaft für Politik nur noch gewachsen.

Natürlich kann man nicht immer helfen, aber wenn man etwas bewegen kann, dann gebe ich mein Bestes. Kommunalpolitik ist die direkteste Form von politischer Mitgestaltung, denn man lebt und arbeitet in der Kommune, man sieht jeden Tag Dinge, die vielleicht besser laufen könnten, Probleme, die angepackt werden wollen. Und genau das werde ich tun.

Ich möchte dazu beitragen, dass Wuppertal lebenswerter, schöner, sauberer und sicherer wird. Wuppertal ist meine Heimat, der Ort wo ich geboren wurde, wo ich lebe und wo ich alt werden möchte. Dabei mitzuwirken, ist Verpflichtung und Privileg zugleich.