Ein Stück Italien auf dem Rott - Pasticceria Dolce&Falcone

12. Dezember 2025 , Dr. Christine Leithäuser


Italien ist ein wunderbares Land. Man geht durch eine Tür und ist umfangen von Wärme, Aromen und Heiterkeit. Buongiorno - was möchtest du gerne? Der Barista lächelt dich an und hat die Hand schon an der Espressomaschine. Lautes Stimmengewirr, hinter der Theke stapeln sich Cornetti und Brioches, Cannoli und Crostatine. Du gehst die Straße weiter entlang und blinzelst in die Sonne, die Leute, die dir entgegen kommen, grüßen dich. Im Téatro Comunale findet am Wochenende der internationale Oboenwettbewerb statt. Du entdeckst hinter der nächsten Ecke die Bäckerei, den Fischladen und eine Eisenwarenhandlung. Einen Lebensmittelladen. Kleine Geschäfte in einem kleinen Ort. Zeit für einen Plausch ist immer. Die Bedienung aus dem Restaurant, wo du gestern gegessen hast, winkt dir über die Straße hinweg zu. Am Wochenende dekorieren die Nachbarn den Park an der Stadtmauer mit Girlanden, stellen Holzbuden und einen Krippe auf. Ihr Weihnachtsmarkt. Eine Bekannte bringt im Alimentari ein Gesteck für die Theke vorbei. Alle sind gerührt. Gegenüber sitzt ein alter Mann in der Bar, solange er will, und liest die ausliegenden Zeitungen.

Ein Stück von diesem Italien befindet sich in Wuppertal. Genauer: am Rott. Seit sechsundzwanzig Jahren gibt es dort die Pasticceria Dolce&Falcone. Eine Institution. Du gehst durch die Tür und bist umfangen von Wärme, Aromen und Heiterkeit. Isabella und Patricia begrüßen jeden persönlich. Buongiorno! Come stai? Die meisten Kunden sprechen Italienisch. Es ergeben sich Fragen wie - woher kommst du? Aus Kampanien! Ah, dann sind wir Nachbarn. Ich bin aus Apulien. Das ist auch kein Zufall. Beide Regionen sind für ihre Dolci berühmt, eine Fülle von verschiedenen Süßigkeiten: handgeformte Pasteten, Mandelkekse, kleine Törtchen, gefülltes Gebäck. Es mildert das Heimweh ein bisschen, diese Dolci zu kaufen, sie schmecken nach Zuhause. Manche Kunden fahren über hundert Kilometer, um Sonntags für das traditionelle Familienessen den Nachtisch ganz frisch zu bekommen. Oder sie bestellen gleich eine Torte für ein besonderes Fest, eine Taufe, einen Namenstag, eine Hochzeit. Isabella hat ein Fotobuch, jeder kann sich die Glasur, die Dekoration, die Höhe der Torte, wieviele Böden, welche Crème, einfach alles aussuchen. Zur Hochzeit kleine Rosenblüten? Für das Patenkind ein Namenszug in Schokolade? Alles kein Problem. Mittwochs wird bestellt, nach ausführlicher Konsultation und Diskussion, da ist es nicht ganz so voll in der Pasticceria, und am Sonntag wird abgeholt. Man kommt persönlich vorbei, trinkt noch einen Espresso, probiert die neueste Kreation des Chefs - derzeit türmen sich die Panettone in der Theke - bespricht, wie es der Familie geht. Per Telefon eine Torte bestellen? Das können keine Italiener sein, meint Isabella. Das gehört sich eigentlich nicht.


Hinten in der Backstube steht Gaetano. Er hat die Pasticcheria vor sechsundzwanzig Jahren gegründet. Seine Diplome hängen vorne in der Bar im Goldrahmen. Hinten stapeln sich die Bleche. Heute, am Sonntag, hilft sein Bruder aus und verziert Torte um Torte. Die Zutaten? Für das Mandelgebäck nur sizilianische Mandeln. Die Lieferung kommt direkt nach Wuppertal. In Deutschland gibt es nur Mandeln aus Kalifornien, die sind nicht gut genug. Auch die Pistazien und der Kaffee werden aus Italien importiert. Zucker und Mehl, die Sahne, ja, da kann man die deutschen Produkte nehmen. Säckeweise. Gaetano fängt früh an und arbeitet bis - ja, bis alles eben fertig ist. Mittwoch bis Sonntag ist geöffnet. Dazu kommen die Bestellungen über die Internetseite oder aus den Nachbarstädten. Jetzt, in der Hauptsaison, türmen sich schon vormittags Kartons mit fertig verpacktem Gebäck im Café. Hunderte Stücke entstehen jeden Tag und werden verschickt. Mindestens zwanzig verschiedene Sorten. Mit Amalfi-Zitrone, Nüssen, Amarena-Kirschen, Schokolade, Mandarine … Die Weihnachtszeit ist verrückt, sagt Patricia und schäumt Milch auf.

Sonntags ist es brechend voll. Außer dem traditionellen Mandelgebäck gibt es am Wochenende die Spezialitäten. Und nicht nur der Pizzaiolo vom Ristorante Portobello aus Oberbarmen kommt mit seiner Frau, um einen Capuccino zu trinken. Und vielleicht eine Zimtschnecke zu probieren. Isabella unterhält die lange Schlange der Wartenden. Hallo, schön, dass ihr da seid, das Wetter ist super, das Gebäck ist es auch, ihr seid alle so schön zurecht gemacht für den Sonntag! Ich freue mich, dass ihr da seid. Ein bisschen Geduld, meine Lieben, es ist genug da. Die Mandelkekse wechseln kiloweise über den Ladentisch, dazu noch Tabletts mit Crème-Törtchen. Augen leuchten. Wangen röten sich.

Vermisst du den Salento Isabella? Certo! Aber es ist nicht so einfach, zurück zu gehen. Die Löhne in Süditalien sind ein Problem. Die Konkurrenz ein anderes. In jedem Dorf gibt es bereits mindestens eine Pasticceria. So bleiben nur die großen Ferien und eine Woche nach Weihnachten, um nach Hause zu fahren. Aber sie haben wenigstens ihr eigenes Stück Italien, diese Insel auf dem Rott. Wer auch immer zwischendurch Sehnsucht hat, oder einfach den höllisch guten Capuccino mit ein paar Mandelkeksen möchte, der geht eine Straße entlang und durch die Tür: Buongiorno!