Matthias Nocke - amtierender Stadtdirektor und OB-Kandidat für Wuppertal

„Wir brauchen den klaren Blick für das Machbare“

16. August 2025 , Dr. Christine Leithäuser


Matthias Nocke ist seit dem Jahr 2008 Beigeordneter in Wuppertal. Seine Arbeitsbereiche liegen schwerpunktmäßig in den Bereichen Kultur, Sport, Bildung, Sicherheit und Ordnung. Seit 2024 ist er zudem Stadtdirektor. Damit ist er unter den Bewerbern um das Amt des OB der einzige, der umfangreiche praxisbezogene Erfahrung und notwendige Fachkenntnisse zur Stadtverwaltung vorweisen kann. Nun möchte er an die Spitze.

Würde er gewählt, ginge es ihm um strategische Steuerung, Wirtschaftlichkeit und Handlungsfähigkeit der Verwaltung. Er ist kein politischer Ideologe, der sich über fünf neue Fahrradbügel freut oder die Bürger mit bunten Blumenkübeln abspeisen will. Finanzielle Disziplin und Priorisierung der Zukunftsprojekte sind seine Methoden, mit denen er Wuppertal positiv entwickeln und funktional gestalten will.

Alle OB-Kandidaten erhielten vorab vergleichbare Fragen. Matthias Nocke antwortete wie folgt:


Wuppertal ist überschuldet, im Februar wurde vom Stadtrat ein Nachtragshaushalt verabschiedet. Welche Einsparungsmöglichkeiten sehen Sie für die kommenden Haushaltsjahre, um das strukturelle Defizit in den Griff zu bekommen? Würden Sie die Projekte BuGa und Pina-Bausch-Zentrum trotz des Defizits beibehalten?

Wuppertal ist (noch) nicht überschuldet, allerdings droht der Eintritt der Überschuldung und um genehmigungsfähige Haushalte zu erarbeiten, müssen wir ein Haushaltssicherungskonzept mit einer Laufzeit bis 2036 erarbeiten und in diesem Zeitraum nach Schätzung der Kämmerei ca. 2 Milliarden Euro konsolidieren.

Deshalb braucht Wuppertal finanzielle Disziplin – und zugleich den Mut, in seine Zukunft zu investieren. Dafür setze ich auf eine Priorisierung städtischer Ausgaben. Wir brauchen eine Gesamtinvestitionsplanung zur Bewältigung hoher Bedarfe in Schulbau und Sicherheit. Wir brauchen Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung und den klaren Blick für das Machbare.

Konsolidieren heißt jedoch nicht „plattmachen“, Einrichtungen schließen, Steuern erhöhen und zusammenstreichen. Konsolidieren heißt vor allem Aufgabenkritik, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der Abläufe, Neuaufsetzen vieler Geschäftsprozesse, ein Mehr an strategischer Raumplanung mit Überprüfung unseres Immobilienbestandes, endlich eine strategische Steuerung unserer Beteiligungen und Unternehmen, vorausschauende Liegenschaftspolitik und noch vieles Anderes. Dies möchte ich als Oberbürgermeister in Angriff nehmen, um die Handlungsfähigkeit der Stadt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu erhalten. Handlungsfähigkeit ist die Voraussetzung für jeden Projekterfolg.

Die BuGa und das Pina-Bausch-Zentrum sind Projekte, die weit über Wuppertal hinausstrahlen. Sie bringen neue Impulse für Stadtentwicklung, Wirtschaft und Kultur. Ich möchte diese Chancen erhalten – mit solider Finanzierung, klarem Projektcontrolling, Kostendeckel und transparenter Kommunikation. Wer Wuppertal nach vorne bringen will, darf nicht nur verwalten, sondern muss gestalten.


Welche konkreten städtischen Entwicklungsvorhaben würden Sie in den kommenden Jahren gerne umsetzen?

Ich möchte, dass Wuppertal seine Potenziale hebt und seine Chancen nutzt – mit starken Quartieren, einer modernen Verwaltung und attraktiven Bildungsstandorten.

Konkret heißt das, ich will, dass Wuppertal ein exzellenter Bildungsstandort bleibt und in Teilen wird. Wir müssen deshalb in kürzester Zeit neben den zwei beschlossenen Gesamtschulen vier weitere weiterführende Schulen errichten und drei zusätzliche Grundschulen bauen. Hinzu kommen Investitionen im Bereich der beruflichen Bildung und der Förderschulen. Wir benötigen weitere bauliche Optimierungen im Bereich der Feuerwehrgerätehäuser und Rettungswachen und den Neubau der Feuerwehrleitstelle SG/W am Westring. Die vom Rat beschlossene Erweiterung und Ergänzung der Elefantenanlage im Zoo werde ich umsetzen. Durch ein sich abzeichnendes großes privates Engagement wird es uns gelingen, die Kriegslücke am Opernhaus mit einem notwendigen Orchesterprobenraum zu schließen. Der derzeitige Standort wird zur Wohnbebauung vermarktet.

In der Stadtentwicklung glaube ich an den Standort Schaeffler-Gelände für die Bergische Eventarena. Das Gelände der Bergischen Sonne mit 3,7 ha ist in der Vermarktung. Das muss beschleunigt werden. Ich will endlich das Prym-Gelände in Barmen, das alte WZ-Gelände am Otto-Hausmann-Ring und andere im Dornröschenschlaf liegende Flächen gemeinsam mit den Eigentümern entwickeln und vermarkten. Für die Barmer Innenstadt Entwicklung muss die Concordia als Schlüsselimmobilie ebenso in Angriff genommen werden wie die alte Kaufhalle und die dahinter liegenden Flächen. Die Stadt wird Ihren Beitrag durch Abriss des IT-Flügels und eine wegweisende Ersatzbebauung dazu leisten, ebenso wie es einen starken städtebaulichen Impuls durch Abriss und Neubau der alten Vorwerk Hauptverwaltung geben wird.


Lebenswerte Innenstadt - Elberfelder Laurentiusplatz


In Elberfeld werde ich dem Rat zum Ende dieses Jahres einen wirtschaftlich tragfähigen Vorschlag zur Nutzung der Kaufhof Immobilie machen, in die alte Zentralbibliothek wird das Stadtarchiv ziehen und die frei gewordenen Haspel-Häuser werden wir der Bergischen Universität zur Nutzung und Abrundung des Haspel-Campus anbieten.


Wie kann man Ihrer Ansicht nach die Verwaltungsabläufe in Wuppertal verbessern, zum Beispiel beim Einwohnermeldeamt oder in der Ausländerbehörde?

Im Einwohnermeldeamt haben wir ein tolles Team und mehrfach ausgezeichnete Geschäftsprozesse. Die Situation wird sich mit dem Umzug in die Bundesbahndirektion weiter verbessern. Für ein dauerhaft servicestarkes Einwohnermeldeamt müssen wir bei unserem Personalrecruiting gerade für diese Behörde entscheidend besser werden.

In der Ausländerbehörde werden wir mit einer Verbesserung der Kommunikation, mehr Digitalisierung, weiteren Verbesserungen der Ablaufstrukturen und mehr Personal insgesamt eine signifikante Verbesserung erreichen, aber die Situation wird noch drei Jahre lang kritisch bleiben und allen Beteiligten Geduld abverlangen. Glücklich bin ich darüber, dass wir die neue Regelung haben, dass alle Anträge nach dem Fachkräftezuwanderungsgesetzt nach Antragstellung als genehmigt gelten. Das ist für die Menschen und unsere Betriebe eine große Erleichterung.


Wuppertal hat bereits überproportional viele Geflüchtete aufgenommen. Die prognostizierte Einwohnerentwicklung für die Jahre bis 2030 zeigt zudem einen Zuwachs der Bevölkerung insbesondere für die östlichen Stadtbezirke Barmen, Oberbarmen, Heckinghausen und Langerfeld-Beyenburg, der ausschließlich auf einer Zunahme der nichtdeutschen Bevölkerung basiert. Wie wollen Sie die daraus resultierenden Probleme für die Stadt lösen?

Wuppertal hat sein Soll erfüllt. Menschen, die bei uns arbeiten wollen, können auch bei uns leben, aber dies ist nicht über Asylrecht zu regeln.

Migrationshintergrund sagt nichts über die Staatsangehörigkeit aus. Die Herausforderungen will ich klar benennen:

  1. 68 % der Kinder in Wuppertal unter 6 Jahren – also im Vorschulalter – verfügen über einen Migrationshintergrund. Diese Kinder sind für uns ein Geschenk, aber wir haben die Verpflichtung, sie so zu fördern, dass wir ihnen vor der Einschulung die deutsche Sprache vermitteln, damit sie dem Unterricht folgen können. Dazu bedarf es einer Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen unterschiedlicher Akteure.
  2. Wir brauchen für alle Wuppertaler Kinder eine verlässliche Kinderbetreuung in ausreichender Anzahl. Allein für die 500 Kindergartenplätze, die aus Personalmangel nicht in Betrieb sind, müssen wir 100 zusätzliche Fach- und Ergänzungskräfte einstellen. Dies wird nur gelingen, wenn wir für Erzieherinnen ein attraktiver Arbeitgeber sind. Deshalb werden wir Grips und Geld in die Hand nehmen müssen, um dieses Ziel zu erreichen.
  3. Die hohe Zahl der Schulabbrecher muss deutlich gesenkt werden und die Instrumente „Kein Anschluss ohne Abschluss“ und die „Bildungskonferenz“ mit allen relevanten Akteuren müssen endlich engagierter und ambitionierter genutzt werden.
  4. Wir brauchen eine deutliche Stärkung der beruflichen Bildung.
  5. Wir müssen durch eine überlegte und durchdachte Stadtplanung und Baupolitik weiter für eine gute Durchmischung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen und attraktiven Wohnraum sorgen.


Die Arbeitslosenquote liegt in Wuppertal seit Jahren mehrere Prozentpunkte über dem Landesdurchschnitt. Wie bewerten Sie diese Tatsache und welche Lösungsansätze sehen Sie?

Die hohe Arbeitslosigkeit von derzeit 10,5 % ist bei der augenblicklichen Arbeitsmarktsituation ein Fiasko, das für die Weiterentwicklung für die Stadt einen großen Hemmschuh darstellt. Erstens will ich, dass Menschen in unserer Stadt ein selbstbestimmtes Leben durch eigene Arbeit führen können und zweitens wird Haushaltskonsolidierung mit hoher Arbeitslosigkeit nicht gelingen.

Bei den Lösungsansätzen werde ich eng mit Handwerk und Wirtschaft, Jobcenter und Qualifizierungsträgern zusammenarbeiten. Bildung und Arbeit müssen wieder stärker zusammengebracht werden. Wuppertal braucht Bildung, Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung.


Jeder zweite Wuppertaler hat statistisch gesehen ein Auto in dieser Stadt zugelassen. Welche Lösungen sehen Sie für den täglichen Stau in der Stadt, fehlenden Parkraum und illegales Gehwegparken?

Ich bin Pragmatiker und will umsetzbare Lösungen. Deshalb brauchen wir ein wesentlich besseres Baustellenmanagement, da die Baustellen nicht weniger, sondern mehr werden müssen, wenn wir den Substanzverfall der öffentlichen Infrastruktur stoppen wollen. Wir benötigen den Ausbau der Ladeinfrastruktur und hohe Investitionen der WSW in die Leistungsfähigkeit der Netze. Man verbessert die Lebensqualität und die Sicherheit in den Quartieren nicht dadurch, dass man Parkplätze mit Kübelpflanzen belegt und Mitbürger zu Wutbürgern macht, sondern dadurch dass man Quartiersgaragen baut. Dies am Besten auf den 154 Schrottimmobilien-Grundstücken, die ich sukzessive abräumen werde mit jährlich einer Million Euro vom Land NRW. Ich möchte unseren Verkehr anders organisieren. Wir haben 79 verschiedene zugelassene Lieferdienste in der Stadt. Ich möchte im Westen und im Osten jeweils einen „Hub“, altdeutsch Umpackstation, einrichten, die von allen angefahren werden müssen. Von dort aus werden die Lieferungen einheitlich, am besten mit Elektrofahrzeugen, im Stadtgebiet verteilt.

Gleichzeitig müssen wir im Rahmen der Finanzierbarkeit den ÖPNV weiter optimieren, auf Wasserstoff setzen und beim Radwegebau auf die innerstädtischen Lückenschlüsse achten.


Wie möchten Sie Sicherheit und Ordnung in der Stadt verbessern?

Beim städtischen Ordnungsdienst müssen wir durch andere Personalstärken leistungsfähiger werden. Sicherheit kostet, denn die derzeit 47 Stellen müssen nahezu verdoppelt werden, um eine stärkere Präsenz bei Doppelstreifen mit der Polizei und vor allem ausreichende Dienst- und Präsenzzeiten am Wochenende zu gewährleisten.

Wir werden uns im Osten der Stadt, im Bereich Berliner Platz und im Westen, im Bereich Wupperpark Ost, anders aufstellen müssen. Ich neige nicht zu Schnellschüssen, aber eine Verlagerung des Café Cosa werde ich ernsthaft prüfen. Am Berliner Platz halte ich Videoüberwachung für möglich.

Endbahnhof Oberbarmen - Verkehrsknotenpunkt am Berliner Platz


In der Sauberkeit haben wir große Fortschritte gemacht, daran will ich gemeinsam mit ESW und AWG weiterarbeiten.

Im Katastrophen- und Krisenmanagement sind wir gut aufgestellt. Dort geht es um Ergänzungen der Konzeption zur Erhöhung der Resilienz.


Welche Motivation haben Sie persönlich, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren?

Ob unser Land funktioniert, entscheidet sich vor Ort, in den Städten und Gemeinden, jeden Tag neu. Es gibt für mich keine vielfältigere und abwechslungsreichere Aufgabe, als Wuppertal zu gestalten, eine Stadt, die nie fertig wird. Es erfordert Einsatz und ein dickes Fell, Ideen, Wissen und Erfahrung.

Kommunalpolitik ist kein Selbstzweck, sondern täglich neu Dienst an den Menschen. Das gelingt am besten, wenn man das Adenauer Zitat beherzigt: „Als Staatsmann arbeitet man mit Papier, als Bürgermeister am richtigen Leben.“